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Gesichter des Projekts: Doreen Eichhorn

vom 16.12.2019

"Diese Dankbarkeit zu spüren, gerade am Ende, wenn alles gut gelaufen ist, das ist wunderbar."

75 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer sorgen dafür, dass das ASB-Projekt „Wünschewagen – Letzte Wünsche wagen“ in Mecklenburg-Vorpommern sein wichtigstes Ziel erreichen kann: schwerstkranken Menschen ihren letzten Wunsch zu erfüllen. In der Rubrik „Gesichter des Projekts“ möchten wir unsere Wunscherfüller*innen vorstellen. Doreen Eichhorn ist unsere Nummer sechs – und das passt. Sechsmal war die 38-Jährige bislang für unseren Wünschewagen im Einsatz. Warum? Das hat sie uns im Interview erzählt.

Hallo Doreen, dein Foto für unser Interview haben wir ausnahmsweise nicht selbst geknipst, sondern unsere ebenfalls ehrenamtliche Wunscherfüllerin Nicole Steinicke (zum Interview mit Nicole) – nach einer besonderen Fahrt an die Ostseeküste Schleswig-Holsteins.

Genau. Das Foto ist bei einer kleinen Pause auf unserem Rückweg nach Bad Doberan entstanden. Hinter uns lag zu diesem Zeitpunkt eine ganz, ganz tolle Wunschfahrt nach Falshöft bei Pommerby. Wir durften eine wunderbare und starke Frau, Claudia, dorthin begleiten, wo sie sich stets am wohlsten gefühlt hat. Auch wenn sie eigentlich aus Greifswald kommt: Dieser ganz ruhige und wunderschöne Ort war ihre Heimat. Sie hat die Zeit sehr genossen. Und wir auch.

Neben dir, Nicole und Claudias Schwester Anne waren auch eine Redakteurin und ein Fotograf der Schweriner Volkszeitung dabei, Angela Hoffmann und Volker Bohlmann. Beide berichten seit nunmehr über drei Jahren regelmäßig über unseren Wünschewagen und unterstützen unser Herzensprojekt auch in diesem Jahr mit zahlreichen Berichten und Fotos im Rahmen der großen Weihnachtsspendenaktion des medienhaus:nord. Wie hast du die gemeinsame Fahrt empfunden?

Als sehr angenehm. Frau Hoffmann und Herr Bohlmann waren sehr freundlich, sensibel und zuvorkommend. Sie haben vorsichtig nachgefragt, wenn sie ein Foto machen wollten und immer versucht, den richtigen Moment für eine Frage zu finden. Sie wollten nicht aufdringlich sein und das waren sie auch nicht. Im Gegenteil: Es hat sich sehr gut angefühlt. Wir waren zusammen am Strand, im Ort spazieren und zusammen essen. Letztlich spielt es aber keine Rolle, wie es uns dabei geht, sondern dass der oder die Wünschende sich damit gut fühlt. Und das war hierbei der Fall. Natürlich kostet es am Anfang Überwindung, einer von Journalisten begleiteten Wunschfahrt zuzustimmen – es geht schließlich um einen äußerst sensiblen Augenblick im Leben eines Menschen, dem nicht mehr viel Zeit bleibt. Aber genau das ist auch das Schöne an einer Fahrt wie dieser: Es entstehen so viele tolle Bilder, die den Angehörigen als Erinnerung bleiben - weit über den Tag der Wunscherfüllung hinaus. Genau wie die Zeilen im Artikel, die den Moment mit jedem Nachlesen noch einmal greifbar machen.

Die Reise nach Falshöft war deine bislang sechste Wunscherfüllung. Woran erinnerst du dich, wenn du an die einzelnen letzten Wünsche denkst?

Mal an kleine Dinge, dann an bestimmte Gesten und auch an Momente, die eigentlich ein Zusatz sein sollten, am Ende aber vielleicht die schönsten Momente des Tages geworden sind. Bei meiner ersten Fahrt ist mir beispielsweise stark in Erinnerung geblieben, dass wir mit unserem Wünschenden bei einem Blumenladen angehalten haben, um einen Strauß für seine Mama zu besorgen. Damit er sich von ihr verabschieden kann. Das berührt mich noch heute sehr.
Bei einer anderen Wünschefahrt nach Hamburg haben wir auf dem Rückweg in der Nähe von Schwerin spontan einen See angesteuert, an den unser Wünschender früher – als er noch gesund war – häufiger einen Abstecher gemacht hat. Wir saßen dort, haben Fischbrötchen und Eis gegessen und aufs Wasser geschaut. Es war schön. Manchmal entsteht aus einer Wunschfahrt heraus noch ein weiterer, der sich ebenfalls erfüllen lässt. Das machen wir natürlich gerne.
 
Apropos erinnern: Wie bist du zum Wünschewagen in Mecklenburg-Vorpommern gekommen?

Ich glaube ich hatte den Wünschewagen über Facebook entdeckt und gesehen, dass das Projekt aus Nordrhein-Westfalen kommt. Das fand ich natürlich sehr schade, weil auf dieser Distanz an ein Mitmachen nicht zu denken war. Danach ist ein bisschen Zeit vergangen und auf einmal, das war im August 2017, habe ich mitbekommen, dass es den Wünschewagen auch in Mecklenburg-Vorpommern gibt. Ich habe mich dann gleich bei Bettina (Hartwig, die Projektleiterin des Wünschewagens MV, Anm. d. Red.) gemeldet und einen Interessentenbogen ausgefüllt. Als kurz darauf schon eine Antwort von ihr kam, habe ich mich sehr gefreut. Ich wollte das unbedingt machen. Trotzdem hatte ich gar nicht damit gerechnet, dass ich mitmachen darf. Meine Schulung fand dann Mitte November in Bad Doberan statt. Und dann passierte erstmal nichts.

Nichts?

Nein, zumindest habe ich wochenlang keine Nachricht erhalten, dass eine Wunschfahrt ansteht und man sich freiwillig dafür melden kann. Dabei konnte ich auf Facebook von neuen erfüllten letzten Wünschen lesen. Also habe ich mich Anfang Januar nochmal bei Bettina gemeldet und nachgefragt. Und dann stellte sich heraus, dass meine Nummer falsch war und ich dadurch gar nicht berücksichtigt werden konnte. Zum Glück hat sich Bettina sofort dem Thema angenommen. Und dann durfte ich auch schon kurz danach zum ersten Mal mit.

Im Februar ging es für dich nach Mölln. Wie war die Fahrt für dich?

Ich war davor sehr aufgeregt und deshalb auch froh darüber, dass Bettina mitgekommen ist. Sie strahlt ganz viel Ruhe aus und gibt einem das Gefühl, dass alles gut wird. Ich durfte auch gleich bei meiner ersten Fahrt zurückfahren. Es hat sich deshalb gar nicht so angefühlt, dass es meine erste Fahrt war. Ich wurde nicht so behandelt und das war sehr angenehm. Und die Wunscherfüllung? Die war einfach schön und total emotional. Zusammen mit Bettina und Korinna (Lembke, Anm. d. Red. / zum Interview mit Korinna) durfte ich einem Herrn aus Rostock einen letzten Wunsch erfüllen. Er hatte kurz zuvor seine Lebensgefährtin in der Kapelle des Südstadtklinikums geheiratet und wollte in Mölln, einer Kleinstadt in Schleswig-Holstein, mit seiner Frau zusammenziehen. Sie wollten noch solange wie möglich beieinander sein. Unterwegs haben wir wie gesagt Blumen für seine Mama besorgt und sie besucht, damit er sich von ihr verabschieden konnte. In Mölln wurden wir herzlich von seiner Schwiegermutter empfangen. Ich weiß noch ganz genau, dass beide Mamas über 90 Jahre alt waren und sich sehr viel Mühe mit allem gegeben haben.

Wenn es darum geht letzte Träume wahr werden zu lassen, scheust du ebenfalls keine Mühen. Du kommst für jede Fahrt aus Greifswald nach Bad Doberan, bist also allein drei Stunden unterwegs, um überhaupt zum Wünschewagen zu kommen und im Nachgang wieder nach Hause zu fahren. Und das alles in deiner Freizeit und im Urlaub.

Es macht mich einfach glücklich, wenn ich einen letzten Wunsch erfüllen darf. Ich bin dankbar dafür, dass fremde Menschen uns in ihre ganz intime Welt hineinlassen und Hilfe annehmen. Das ist etwas ganz Besonderes und deshalb sollte man damit auch vorsichtig umgehen. Diese Dankbarkeit zu spüren, gerade am Ende, wenn alles gut gelaufen ist, das ist wunderbar. Und das beflügelt mich in meinem Engagement.

Gutes Stichwort: Du engagierst dich nicht nur im Rahmen von Wunschfahrten für unseren Wünschewagen, sondern auch bei anderen Veranstaltungen. Hast du ein paar Beispiele für uns?

Na klar – und diese Termine machen ebenfalls viel Spaß! Am Welthospiztag habe ich beispielsweise in Stralsund zusammen mit Matthias (Hildebrandt; Projektmitarbeiter des Wünschewagens MV, Anm. d. Red. / zum Interview mit Matthias) das Projekt vorgestellt. Im August waren wir zu einer Benefizveranstaltung in der Kirche von Alt Karin eingeladen. Dort fand ein Gospelkonzert statt, bei dem für den Wünschewagen gesammelt wurde. Gefühlt kam das ganze Dorf zusammen. Wir waren damals etwas früh dran und sind deshalb in Bad Doberan noch einen Kaffee trinken gegangen. Auf einmal kam ein junger Mann auf uns zu und erzählte uns, wie toll er das Projekt findet – und gab uns daraufhin alles, was er in seinem Portemonnaie hatte. Ein unglaublicher Moment.

Das klingt nach einer sehr schönen Erfahrung. Ist es für dich bei dieser einen Rückmeldung geblieben oder kommt es häufiger vor, dass ihr angesprochen werdet, wenn ihr im Wünschewagen-Outfit unterwegs seid?

Das passiert eigentlich bei jeder Fahrt. Ich habe bislang nur positive Erfahrungen in dieser Hinsicht gesammelt. Ich erinnere mich an Leute, die im Auto neben uns an der Ampel standen und uns zugewinkt, den Daumen nach oben gezeigt oder sogar applaudiert haben. Wir werden auch oft auf Raststätten angesprochen und gefragt, was der Wünschewagen ist und wie man das Projekt unterstützen kann. Wir erfahren auf der Straße ganz viel Wertschätzung.

Was wünschst du dir für den Wünschewagen in Mecklenburg-Vorpommern?

Immer viele Fahrten. Dass es immer neue Mitstreiter gibt, die das Projekt unterstützen möchten. Dass der Zuspruch von außen mindestens so gut bleibt und vielleicht sogar noch besser wird.
Einfach, dass es eine ganz lange Erfolgsgeschichte wird.

Vielen Dank für deinen tollen Einsatz und das Interview, Doreen!

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